Von den Supraleitern zum Orchesterleiter

Dieter Köhnlein, musikalische Leitung Kammerorchester
Dr. Dieter Köhnlein brachte 40 Jahre lang Sudierende, Absolventen und Freunde des KIT in zwei Orchestern zusammen. (Foto: privat)

Wie kam der Physiker Dr. Köhnlein, heute Akademischer Direktor am Physikalischen Institut, nebenbei auch Stadtraut, zum Dirigentenstab?

Der Dirigent Hans Richter soll einmal auf die Frage "Wie wird man Dirigent?" forsch geantwortet haben: "Man geht aufs Podium - und entweder kann man es, oder man lernt es nie!"

Köhnelin aber hat sich das Dirigieren im Laufe der Jahre selbst beigebracht: Bereits als Schüler leitete der Klavierspieler einen Chor, später wirkte er im Bachchor Karlsruhe mit. Mit der Ziet nahm der Autodidakt mit seinem Orchester auch die sinfonischen Giganten in Angriff.

In seinem Dienstzimmer hängen neben Regalen voller physikalischer Fachliteratur zahlreiche Urkunden an den Wänden, davor türmen sich Berge von Noten, und daneben - wer würde dies im nüchtern-kalten Physikhochhaus vermuten - steht ein Cembalo.

Für Köhnlein, dem 1995 für seine Verdienste um das kulturelle Leben an der Universität das Bundesverdienstkreuz verliehen wurde, ist besoders erfreulich, dass durch die regelmäßigen Konzerte auch vielen Studierenden der Zugang zur klassischen Musik eröffnet wurde. Von großer Bedeutung sind für Köhnlein auch die als Konzerttourneen angelegten Orchesterreisen, die gerade für junge Menschen eine Horizonterweiterung bedeuten und bei ihnen Verständnis für andere Völker und Kulturen wecken.

Im März 2019 wurde Herrn Köhnlein die "Würde eines Ehrenbürgers des KIT" verliehen für einen besonders herausragenden Einsatz zum Wohle des KIT.

Orchestergeschichte

Das KIT glänzt auch mit Musik

Der 26. Juni 1976 war mit 36 Grad der heißeste Tag des Jahres. Im Festsaal des Humboldt-Hauses trat zum ersten Mal ein "lnstrumentalkreis an der Universität Karlsruhe" öffentlich auf unter der Leitung des Physikers Dr. Dieter Köhnlein: Stücke von Vivaldi und Bach sowie Mozarts berühmtes Klarinettenkonzert mit Gerd Ruge als Solist standen auf dem Programm.

Jahrelang hatten sich Liebhaber der Kammermusik, überwiegend Universitätsangehörige im Hause Köhnlein in verschiedenen Besetzungen zum Musizieren getroffen. Ein Versehen war der Grund, dass eines Abends zwei Ensembles vor der Tür standen. Und so habe man, erinnert sich Orchestergründer und -leiter Dr. Köhnlein, aus der Not eine Tugend gemacht: Der "lnstrumentalkreis" wurde aus der Taufe gehoben. Rasch gesellten sich weitere Musikerinnen und Musiker hinzu, bis das "Sinfonieorchester an der Universität Karlsruhe" entstand. Das Repertoire wuchs im Laufe der Jahre beachtlich an: So wurden alle neun Beethoven-Symphonien gespielt, sämtliche Orchester- und Chorwerke von Johannes Brahms, aber auch viele zeitgenössische Kompositionen. Mit verschiedenen Chören aus dem In- und Ausland, insbesondere den beiden Universitätschören, wurden bekannte geistliche und weltliche Werke aufgeführt. Zum Ende der Amtszeit von Rektor Professor Dr. Heinz Kunle führte das Orchester 1994 Beethovens Neunte unter Mitwirkung der Universitätschöre aus Budapest und Karlsruhe auf - ein herausragendes Erlebnis.

Neben den regelmäßigen Semesterkonzerten, meist im Gerthsen-Hörsaal, zu besonderen Anlässen aber auch im Brahmssaal oder im Konzerthaus, wurde auch gelegentlich bei wissenschaftlichen Veranstaltungen an der Fridericiana konzertiert. Zu Ehren von Professor Dr. Werner Buckel, der das Orchester von Beginn an gefördert hat, fand anlässlich seines 80. Geburtstages im Mai 2000 ein Konzert statt.

Als die Stadt Karlsruhe zum 50. Jahrestag der "Kristallnacht" am 9. November 1988 tausend ehemalige Mitbürgerinnen und Mitbürger aus aller Welt einlud, erinnerte Roman Herzog in einer eindrucksvollen Rede in der Christuskirche an die dunkelste Zeit der deutschen Geschichte. Das Sinfonieorchester führte in dieser Gedenkstunde Gustav Mahlers Kindertotenlieder mit Hedwig Fassbender als Solistin auf.

Ein zweites, ebenfalls 1976 von Köhnlein gegründetes und geleitetes Ensemble widmet sich vornehmlich der Streichermusik vom Barock bis zur Moderne: das "Kammerorchester an der Universität Karlsruhe". Nur sehr wenige Musiker wirken auch im Sinfonieorchester mit; es handelt sich um zwei eigenständige Ensembles. Das Kammerorchester gewann beim ersten Deutschen Orchesterwettbewerb, den der Deutsche Musikrat 1986 in Würzburg ausrichtete, den ersten Bundespreis. Diesen Erfolg wiederholte das Ensemble bei sämtlichen weiteren Wettbewerben auf Bundesebene, im vergangenen Jahr ist es in Karlsruhe zum vierten Mal Bundessieger geworden.

In den vergangenen 25 Jahren haben, so schätzt Köhnlein, zwischen 500 und 1.000 Menschen in beiden Ensembles musiziert.
"Manch einer wählte Karlsruhe ganz bewußt zum Studienort, da er so in einem unserer beiden Orchester mitwirken konnte." Einige Musiker der ersten Stunde sind noch immer dabei.

Durch seine Konzerttätigkeit im Gerthsen-Hörsaal der Universität und den Konzertsälen der Stadt hat sich das Ensemble einen festen Platz im Karlsruher Kulturleben erspielt. Mit seinem lebendigen Musizierstil hat das Orchester ein begeistertes Publikum gewonnen und der Universität zu einer "herausragenden und öffentlichkeits wirksamen Reputation verholfen" (Klaus von Trotha, Minister für Wissenschaft und Kunst).

Schon ein früher Kritiker schrieb: "Der nicht durch Plakatanschlag oder Programm informierte Konzertbesucher würde schwerlich erkennen, dass es sich um ein Laien-Ensemble handelt". Ein exzellentes Beherrschen des Instruments wird für die Aufnahme ins Orchester vorausgesetzt. Bis heute haben beide Ensembles einen musikalischen Anspruch, der über ein Laienorchester deutlich hinausreicht, was sich in vielen Ehrungen widerspiegelt.

Das Sinfonieorchester errang 1996 in Gera den ersten und 2000 in Karlsruhe den zweiten Preis.

Zahlreiche Tagungen und Kongresse erhielten durch einen Konzertabend mit dem Sinfonieorchester einen festlichen Rahmen.

Die mehr als 20 Tonträgereinspielungen geben ein weiteres Zeugnis vom hohen Niveau beider Ensembles. Vor kurzem erst hat das Sinfonieorchester mit der Geigerin Barbara Burgdorf von der Bayerischen Staatsoper das Brahmssche Violinkonzert eingespielt.

Das hohe Niveau fordert seinen Tribut: Die Musiker opfern ihre Freizeit für Proben und Veranstaltungen, und das ohne jedes Entgelt. Die Eintrittspreise für die fast immer ausverkauften Konzerte dienen weitgehend der Kostendeckung. Selbst den zahlreichen Solisten von außerhalb, denen die beiden Orchester eine sonst seltene Plattform für Solokonzerte bieten, werden meistens nur Spesen erstattet. Zahlreiche Benefizkonzerte zugunsten hiesiger und überregionalen Hilfsorganisationen belegen daneben das soziale Engagement aller Beteiligten. Der Verkaufserlös der ersten Schallplatte 1978 war beispielsweise für "amnesty international" bestimmt. Das Kammerorchester engangierte sich beispielsweise für die Karlsruher Initiative "Freunde für Fremde".

Besondere Erlebnisse waren die vielen Konzertreisen in alle Welt. Die erste führte das Kammerorchester in die historische Wassenkirche in Zürich: Am 27. Mai 1978 wurden die h-moII-Suite von Bach mit Cordula Hülshoff, Flöte, und Mozarts Es-dur-Hornkonzert mit Manfred Gehann aufgeführt; beide Solisten kamen aus den eigenen Reihen. Ziel der ersten großen Konzertneise war 1980 Israel. Der Mathematiker Harald Kuhn war Solist in einem Mozart-Klavierkonzert. Seither fanden Tourneen nach Frankreich, England, Spanien, Weißrussland, Russland, in die Slowakei, aber auch nach Kanada, Brasilien, Chile, in die USA oder zuletzt sogar nach China statt. So wird dem Namen der Fridericiana in der ganzen Welt sprichwörtlich Klang verliehen.

Auszug aus einem Artikel von Friedrich Wagner, erschienen 2001 im Mitteilungsblatt der Universität Karlsruhe, UniKaTH, zum 25-jährigen Orchesterjubiläum. Auch in den weiteren Jahren seines Bestehens gelangen dem Orchester viele eindrückliche Konzerte mit hochrangigen Solisten, einige weitere erste Bundespreise beim Deutschen Orchesterwettbewerb kamen ebenfalls hinzu.